Basil in Indien 2007/2008

Bachelorarbeit am Indian Institute of Technology (IIT) Madras, Chennai, Tamil Nadu, Indien
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Drei Stunden Schuhekaufen
Gestern Abend klopft es an meiner Tür, Gaurav ist aufgeregt, der Schweiss steht ihm auf der Stirn, ich solle mitkommen. Auf dem Flur lärmende und tanzende Inder, einen konkreten Anlass scheint es nicht zu geben. Es war kein Geburtstag, worauf derartiger Lärm sonst hindeuten könnte: am Geburtstag wird man von seinen Freunden gegen 12 Uhr abends verprügelt - glücklicherweise habe ich in Indien keinen Geburtstag. Wir gingen in sein Zimmer, sie spielten mir unter anderem Musik vom Rammstein vor und dachten, sie würden mir damit eine Freude machen. Ihnen gefiehl es wohl mehr als mir. Dafür konnte ich ihnen Balkanbeats aus Frankfurt bieten. Die Stimmung war gut, ich habe noch ein paar andere Inder kennengelernt, ausserdem haben sie mir beigebracht indisch zu tanzen, was zu acht in einem Zimmer viel Spass machen kann. Nächtest Jahr sehe ich womöglich einige wieder, sie bewerben sich, um für ein Semester an der Uni Mannheim zu studieren.

Heute nach dem Mittagessen war ich wieder in der Wäscherei und habe mich länger mit dem Manager unterhalten. Es fing zwar wieder typisch an: "... Germany", "Ah! Hitler, Hitler! Hitler good or not good?", entwickelte sich aber dennoch positiv. Ich hatte eine Werbebroschüre mit Bildern von Kaiserslautern mitgebracht und trank wie neulich erst mit ihnen Tee. Aus einem anderen Raum wurde etwas gebracht und stolz präsentiert: Eine Schere, Made in Germany, Solingen, "very good quality".

Ständig muss man hier irgendwo die Schuhe ausziehen, in Tempeln sowieso, aber auch in jedem Rechnerraum, weswegen ich mir unzählige Male am Tag die Schuhe an und aus ziehen muss. Aus dem Grund wagte ich mich in die Stadt um Sandalen zu kaufen. Mit dem Fahrrad. In den Verkehr. Es ist einfacher als ich dachte, bellende Hunde beissen nicht. Man muss nur ruhig und gerade fahren und dabei geradeaus oder ein wenig zur Seite sehen, nach Hinten zu sehen ist unnötig, da signalisiert einem das Gehupe genug, besonders Busse haben eine sehr charakteristische Hupe. Es macht sogar Spass, man konzentriert sich auf jede Lücke, alle Sinne sind beschäftigt, man verliert fast das Zeitgefühl. Dazu kommt ab und zu ein leichter Nieselregen, Staub im Auge, schwarzer Qualm der älteren Busse - ich wische mir den Schweiss aus dem Gesicht und stelle fest: grauer Staub - bunte Stände am Strassenrand, hauptsächlich Obst, kleine Tempel und Schreine, geflochtene Hütten, streunende Hunde, Süssigkeiten, ich taste mehrfach nach der Gangschaltung um jedes Mal wieder festzustellen, dass ich keine besitze, Motorräder mit bis zu vier neugierigen Personen, winkende Kinder, übervolle Busse die die ihre Geschwindigkeit verringern um Leute ab- und zuspringen zu lassen, Leute, die zurücklächeln wenn man sie anlächelt, dazwischen abgesunkene Kanaldeckel und sonstige Aufmerksamkeit fordernde Unebenheiten. Dazu die Tücken des Linksverkehrs und das Problem, dass einige Strassen Einbahnstrassen sind und die andere Richtung irgendwo anders verläuft. Um mich nicht zu verfahren, beziehungsweise weiter zu verfahren - ich verliess natürlich das Tor in linker, statt wie empfohlen in rechter Richtung - kam ich ganz gut als Geisterfahrer voran.

Heute scheint Diwali zu beginnen, eine Prozession am Strassenrand, ein Blumenkranz wird getragen, Böllerketten werden gezündet, Menschen tanzen und trommeln, entdecken mich und meine Kamera auf der anderen Strassenseite und winken mir fröhlich zu.

Ich bin zwar weit in die falsche Richtung gefahren, umsonst war es jedoch nicht, gesehen habe währenddessen einiges, zum Beispiel die Gandhi Gedänkstätte. Die Atmosphäre ist sehr entspannt, einzelne liegen im Gras, andere flanieren, manche Essen und manche sitzen entspannt diskutierend in der schattigen Anlage, die im hinteren Teil aus einem Theater besteht. Dort habe ich zwei Inder kennengelernt und mit ihnen Tee getrunken, süss mit Milch und gewürzt wie immer, und mich einige Zeit mit ihnen über alles mögliche unterhalten, dabei auch erfahren, wie ich zu dem Schuhladen kommen könnte.



Die Frucht meiner Anstrengungen und unglaublich weisse Füsse.

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